„Wie lange soll das noch gehen?“

27.11.2019 von Stephanie Höppner
Seit langem auf Wohnungssuche

Die Wohnungssuche in Bonn kann zu einer Herkules-Aufgabe werden, besonders für Alleinerziehende. Die 43-Jährige Ludvika Leusch versucht schon seit einem Jahr ein neues Zuhause für sich und ihren Sohn zu finden – Ende ist noch nicht in Sicht.

Fast jeden Tag, nachdem sich ihr Sohn auf den Weg zur Schule gemacht hat, setzt sich Ludvika Leusch an den Laptop und schaut sich die neuen Wohnungsanzeigen der gängigen Internetportale an. Seit der Trennung von ihrem Mann vor über einem Jahr sucht sie für sich und ihren Sohn eine Wohnung im Bonner Stadtgebiet. Die 43-Jährige kennt mittlerweile nicht nur die beliebtesten Vermietungssplattformen, sondern auch alle Bonner Wohnungsgenossenschaften und die häufigsten Maklernamen. Sie stellt auch eigene Gesuche ins Internet, hängt Zettel an die schwarzen Bretter der Supermärkte, fragt Freunde und Bekannte. „Die Wohnungssuche ist wie ein Vollzeitjob“, sagt sie.

Hohe Ansprüche hat sie nicht: Zwei bis drei Zimmer, vielleicht ein kleiner Balkon, nicht zu weit außerhalb, damit ihr Sohn mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch in angemessener Zeit zur Schule im Bonner Zentrum kommt. Das Wichtigste sei, dass die neue Bleibe günstig ist, sagt sie. Denn die Germanistin ist derzeit auf Arbeitssuche. Das Jobcenter übernimmt die Mietzahlungen, jedoch gedeckelt auf eine Kaltmiete von 632 Euro für zwei Personen. In einer Stadt wie Bonn, in der die Mieten mit zu den höchsten Deutschlands zählen, ist das eine Herausforderung. Etwa 9,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete mussten Mieter 2018 für Wohnungen bis 80 Quadratmeter laut einem Internet-Wohnungssportal auf den Tisch legen. 2019 dürfte es noch etwas mehr gewesen sein. Auch ihre jetzige Wohnung im Bonner Stadtteil Graurheindorf, die sie einst mit ihrem Mann angemietet hatte und die sie nun mit ihrem Sohn alleine bewohnt, ist etwas zu teuer. Deshalb soll Leusch nach dem Willen der Ämter auch in den kommenden Monaten eine neue Bleibe finden.

Keine Stubenhocker

Wenn die 43-Jährige im Netz endlich etwas Passendes findet, versucht sie die Werbetrommel für sich zu rühren. Sie hat ein Gespür dafür, was Vermieter mögen – und was nicht. „Die Meisten haben Angst, dass man den ganzen Tag zu Hause ist“, glaubt sie. Deswegen zählt sie gerne auf, was sie und ihr Sohn alles außerhalb der eigenen vier Wände unternehmen – wie zum Beispiel ihre Radtouren am Rhein. Der Sohn besucht zudem regelmäßig seinen Vater, wie sie gerne schon vorab erklärt. Mehr als 700 Anfragen hat sie mittlerweile gestellt. Doch nur einige wenige Male durfte sie sich die Wohnungen überhaupt anschauen. Auch die städtische Wohnungsvermittlung konnte ihr bislang nicht weiterhelfen. „Die sagen: Es kann drei Tage dauern – oder drei Jahre.“ Aufgeben kommt für sie trotzdem nicht in Frage: „Ich bin da zäh und betreibe das täglich, wie eine Art Hobby“, sagt sie.

Dabei stößt sie auch auf Menschen, die falsche Hoffnungen machen. Leusch erinnert sich an einen Vermieter, der sich auf eine eigene Wohnungsanzeige von ihr meldete und sie persönlich zu einem Besichtigungstermin einlud. Die 43-Jährige freute sich über einen vermeintlich exklusiven Termin, witterte endlich eine Chance für ihre Familie. Doch als sie bei der Wohnung erschien, warteten bereits 80 weitere Interessenten ebenfalls vor Ort. „Da frage ich mich schon: Warum schreibt der mich überhaupt an? Ich habe dann auch innerhalb eines Tages die Absage bekommen. Da habe ich mich richtig geärgert.“ Zu den kuriosen Begebenheiten gehören auch die zahlreichen Heiratsanfragen oder Schwindler, die gegen Vorab-Zahlung einer vermeintlichen Provision eine Wohnung bereitstellen –  „die sowieso schon zu schön ist, um wahr zu sein.“ Wieder andere Vermieter üben massiven Druck aus und verlangen, dass sie innerhalb weniger Tage die Wohnung bezieht. „Und dann hänge ich hier auf dreieinhalb Monatsmieten“, sagt Leusch. „Ich kann mit dem Jobcenter über eine doppelte Mietzahlung verhandeln, aber doch bitte im angemessenen Rahmen.“ Dazu kommen hohe Ablösesummen für Küchen und Möbel, teilweise tausende Euro für eine abgewohnte Einrichtung, ohne die die Wohnung nicht vermietet wird. „Man sucht sich gerne die Schwachen aus, von denen man weiß, dass sie es nötig haben. Das ist Abzockerei.“

„Abgelehnt“

Die 43-Jährige glaubt, dass es vor allem zwei Umstände sind, die sie bei der Wohnungssuche sehr schnell ins Aus manövrieren – die Tatsache, dass sie alleinerziehend ist und ihr Status als Jobsuchende. Obwohl sie studiert hat und sich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit fortgebildet hat, gestaltet sich ihre Jobsuche schwierig. Das Problem: Ihr 9-jähriger Sohn hat nach Schulschluss keine Nachmittagsbetreuung. Doch ohne Betreuung – der sogenannten OGS – kann sie kaum arbeiten. Von ihren Honorartätigkeiten, die sie an den wenigen Stunden am Vormittag ausüben könnte, kann sie nicht leben. Und ohne Arbeit findet sie schlechter eine Wohnung. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagt sie. Besonders belastet sie, dass ihr Sohn unter der fehlenden Perspektive leidet. „Er fühlt sich richtig abgelehnt“, sagt sie. Drei Monate hat Leusch noch – dann sollte sie eine neue Bleibe für ihre Familie gefunden haben. Keine leichte Aufgabe in Bonn.

Wenn Sie eine Idee haben, die Ludvika Leusch bei Ihrer Wohnungssuche helfen könnte, melden Sie sich bitte unter sozialesbonn@dw-bonn.de

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Text von Stephanie Höppner, freie Journalistin mit Schwerpunkt Soziales
Meinungen der Autoren müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben.

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